Einleitung

Inhalt: GeschichteCyanwasserstoffWirkungNameHerstellungTrägermaterialienVerpackungWarnstoff

Zyklon B ist der Handelsname für ein Schädlingsbekämpfungsmittel aus Blausäure. Unter diesem Namen wurde das Produkt von 1924 bis 1945 in Dessau, und zeitweise in Kolin (heute ČR) und in Villers-Saint-Sépulcre (Frankreich) produziert.

Nach 1945 wurde das Schädlingsbekämpfungmittel in der DDR unter dem Namen Cyanol erst in Dessau (1952-1969) und dann in Schwedt hergestellt. In der BRD wurde es nach 1945 weiterhin von der Firma Degesch produziert. Diese vermarktete es unter dem Namen Cyanosil und im Ausland unter der Bezeichnung Zyklon.

Cyanwasserstoff (Blausäure) wird auch heute noch produziert und zur Schädlingsbekämpfung verwendet.

Geschichte

Blausäure, welche in der Natur nur in gebundener Form vorkommt, wurde im 18. Jahrhundert entdeckt. Ihre Giftwirkung erkannte man im 19. Jahrhundert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist Blausäure erstmals, zunächst in flüssiger Form, als Schädlingsbekämpfungsmittel bekannt und benutzt worden.

1922 fand der Chemiker Walter Heerdt, damaliger Geschäftsführer der Degesch, ein Verfahren, die flüssige Blausäure in Blechdosen abzufüllen, welche eine zum Aufsaugen der Blausäure hochporöse Masse enthielten. Das Herstellungsverfahren wurde für die Degesch patentiert.

Eigenschaften von Cyanwasserstoff

  • chem. Formel: HCN
  • gasförmig/ flüssig
  • charakteristischer Geruch (Bittermandel)
  • farblos
  • sehr schwach sauer (rötet Lackmus nicht)
  • verbrennt in Luft mit blauer Flamme (Entzündungstemperatur: 538 °C)
  • sehr giftig, schon 1–2 mg Blausäure pro kg Körpergewicht beim Menschen wirken tödlich. Die Aufnahme kann, neben der direkten Einnahme, auch über die Atemwege und die Haut erfolgen.
  • Dampfdichte: 0,941 (leichter als Luft)
  • Molgewicht: 27.03 mol
  • Schmelzpunkt: -13.4 °C
  • Siedepunkt: 25.6 °C

Reine Blausäure ist bei Luftabschluss monatelang beständig. In wässerigen Lösungen zersetzt sie sich unter einer Abscheidung von braunen Flocken bald (Ammoniumformiat). Mischbar mit Wasser, Alkohol; wenig löslich in Äther. Gegenmittel: Natriumnitrit und Natriumthiosulfat.

Wirkung

Cyanwassersoff wird über die Haut und die Lunge aufgenommen.

Im Wesentlichen beruht die Giftigkeit von Cyanwasserstoff darauf, dass es sich an Stelle von Sauerstoff (O²) in den Mitochondrien mit Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) verbindet. Dadurch blockiert es die Nutzung des eingeatmeten Sauerstoffs. In Reaktion auf den vermeintlichen Sauerstoffmangel erhöht der Körper die Atemfreqenz, wodurch die Aufnahme von Blausäure zusätzlich ansteigt. Die Sauerstoffversorgung der Zellen wird unterbrochen und sie sterben ab.

Giftigkeit für Menschen

Der Chemiker Dr. Otto Lange (1875–1936) schildert in dem populärwissenschaftlichen Bändchen Mineral- und Pflanzengifte schon 1929 detailliert die Wirkung von Blausäure beim Menschen: »Man wird verstehen, wenn man hört, daß die tödliche Gabe der reinen Blausäure […] 0,06 g beträgt, dass man also mit einem Kilogramm Blausäure rund 17.000 Menschen vergiften könnte! Dabei handelt es sich um sofort tödlich wirkende Mengen, nach deren innerlicher Aufnahme der Vergiftete, häufig mit einem Schrei, zu Boden stürzt und ohne Bewußtsein in wenigen Sekunden stirbt. Allein es genügen 0,2 – 0,15 Tausendstel Gramm im Liter Atemluft, um den Menschen nach etwa einstündigem Aufenthalt in solchem Raum zu töten«.

Name

Filmausschnitt: Verpackung von Zyklon-B Dosen in der DZR; Werkfilm »Verwertung schafft Werte«. (Quelle: Kohel 1939/Bundesfilmarchiv Berlin)

Filmausschnitt: Verpackung von Zyklon-B Dosen in der DZR; Werkfilm »Verwertung schafft Werte«. (Quelle: Kohel 1939/Bundesfilmarchiv Berlin)

Zyklon B wurde ab dem 20. Juni 1922 für die Degesch patentiert. Das Patent trug die Nummer DRP 438.818, ausgegeben am 27. Dezember 1926, patentiert ab 20. Juni 1922 und es beinhaltete, dass Blausäure mit Stabilisator und Warnstoff versetzt, im flüssigen Zustand von einem porösen Material aufgesogen und luftdicht in Blechdosen verpackt wird.

Das Vorgängerprodukt von Zyklon B war Zyklon A. »Es ist nur während weniger Jahre in größerem Ausmaße gebraucht worden, hat sich aber sehr gut bewährt; sein Verschwinden aus der Begasungspraxis ist weniger auf seine technischen Mängel als auf die größere Wirtschaftlichkeit und die technischen Vorzüge des später eingeführten ›Zyklon B‹ zurückzuführen.« (Peters 1933:56).

Ausschlaggebend für die spätere Verwendung waren schließlich die Vorzüge des Zyklon B, unter anderem die Aufsaugung flüssiger Blausäure in Kieselgur. Zyklon B hat mit Zyklon A nichts weiter als den Namen gemeinsam, weil es an dessen Stelle treten sollte. Bei Zyklon B ist eine chemische Stabilisation durch Oxalsäure oder Chlorkohlensäuremethylester mit einer mechanischen Stabilisierung durch Aufsaugung in porösem Material verbunden. Diese zwei gänzlich verschiedenen Stabilisationswege ermöglichen eine lange Lagerzeit.

Herstellung von Cyanwasserstoff

  • hergestellt in großen Mengen aus Ammoniak und Methan, durch katalytische Oxidation von Ammonium-Methan
  • kann ebenso durch katalytische Zersetzung von Formamid hergestellt werden
  • Herstellung für den Laborbedarf durch Hydrierung von NaCN oder K4[Fe(CN)6]

In Dessau gewann man die Blausäure aus den Resten, die bei der Entzuckerung der Rübenmelasse zurückblieben, aus der Schlempe. Die darin enthaltenen Stickstoffverbindungen veränderten sich unter Luftabschluss bei Temperaturen von 1000–1100 °C. Die entstehenden blausäurehaltigen Gase unterzog man verschiedener Reinigungs- und Konzentrationsverfahren, so dass letztendlich konzentrierte flüssige Blausäure entstand. (Puntigam/Breymesser/Bernfus 1943)

Trägermaterial

Zyklon B gab es zeitweise mit drei verschiedenen Trägermaterialien:

  • gebrannter Kieselgur in gekörnter Form, Korndurchmesser kleiner als 1cm (Diagrieß)
  • besonders voluminös hergestellte Gipsprodukte in Würfelform (Erco), Hersteller: Korksteinwerk GmbH in Coswig
  • saugfähiges und chemisch einwandfreies Holzfasermaterial in Scheibenform bzw. Pappscheiben.

Verpackung

Zyklon B Dose (Quelle: MGS Ravensbrück)

Zyklon B-Dose aus dem Bestand der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Die Blechdosen waren ähnlich Konservendosen durch Umbördeln der Böden und Deckel. Angegeben wurde auf den Dosen der Gehalt an Zyanid, dem Bestandteil der Blausäure, der als Gift wirkt.

Die Verpackung in Dosen ermöglichte die Abfüllung von Einheiten zu je 50, 100, 200, 500, 1.000, 1.200 und 1.500 Gramm Zyanid. Die Dosen bestanden aus 0,35 mm Eisenblech, bzw. aus beidseitig lackiertem Schwarzblech und hatten eine Wandstärke von 0,35–0,42 mm (Engelmann 1997, Degesch 1937). Büchsen gab es in zwei verschiedenen Durchmessern, 99 mm und 152 mm, und in Höhen von 65 mm, 120 mm, 220 mm, 270 mm und 320 mm. Sie konnten nach Gebrauch wiederverwendet werden.

Im Jahresbericht 1939/40 wird berichtet, dass über 68.000 alte Dosen abgeschnitten und wiederverarbeitet wurden. Das waren ca. 27 % der Gesamtzahl aller verarbeiteten Dosen (Voullieme 1940:4). Es bestand keine Explosionsgefahr, da die eingesetzten Konzentrationen des Zyklon B zweihundert mal geringer waren, als die Konzentration zur Erzeugung eines hochexplosiven Gasgemisches hätte sein müssen (McVay/Keren).

Warnstoff

Als übelriechender Warnstoff wurde dem Zyklon B Bromessigsäuremethylesther beigemischt. Zyklon B ohne Warnstoff wurde nur zur Entwesung von Lebensmitteln und anderen anfälligen Materialien verwendet. Zyklon B wurde ab Mai 1944 auch ohne Warnstoff bzw. mit herabgesetzter Konzentration (von 1 % auf 0,25 %) des Warnstoffs ausgeliefert, weil es zu kriegsbedingten Engpässen in der Materialversorgung kam (Testa 1942:Bl.1ff).

1943 bestellte Obersturmführer der SS Kurt Gerstein Zyklon B ohne Warnstoff. Dieses wurde unter Ausschluss der üblichen Lieferfirmen Testa und Heli direkt von der Degesch nach Auschwitz und Sachsenhausen geliefert. Durch Zyklon B ohne Warnstoff sollten die Opfer möglichst lange im unklaren über ihr Schicksal gelassen werden. Laut Aussagen vor Gericht nach 1945 ließ sich feststellen, dass von Zyklon B ohne Warnstoff 590 kg im Jahr 1943 und 1158 kg im Jahr 1944 nach Auschwitz geliefert wurden (Sagel-Grande/Rüter 1975).

Die Dosen ohne Warnstoff erhielten einen Stempel auf dem Etikett (Kube/Schlesinger 1995).